Der „Urknall“ meiner Synergie-Strategie für internationale Teams
Ausgangssituation:
Ich war deutscher Teamleiter eines großen bi-nationalen und tri-kulturellen Entwicklungs-Projekts in Sri Lanka. Mein lokaler Counterpart und ich bildeten eine Doppelspitze. Ich startete mit einem eher deutschen, „kollegialen“ Führungsstil. Wir sprechen ja von „Kollegen“ oder Mitarbeitern, nicht von „Untergebenen“. Auch unsere Unternehmenskultur hatte mich so geprägt. Unsere "Grundsätze für Führung und Zusammenarbeit" hatte ich selbst miteingeführt. Also fragte ich die asiatischen Mitarbeiter auch mal: „Was wäre denn Ihr Vorschlag? Was hat sich bei Ihnen bewährt?“ Ich wollte die lokalen Erfahrungen nutzen, zum eigenen Nachdenken anregen und die Kompetenzen vor Ort fördern.
Herausforderung:
(1) Die asiatischen „Kollegen“ (oder doch „Untergebenen“?) waren erstmal verunsichert, antworteten nur zögerlich. Aber mit der Zeit und mit der Erkenntnis, von mir respektiert und ehrlich gefragt zu werden, wuchsen ihr Mitdenken, ihre Diskussionsbereitschaft und ihre Motivation. Ich war zufrieden. Die Personalentwicklung klappte also!
(2) Etwas anderes machte mir nun Sorgen: Mein Counterpart schien auf Distanz zu mir zu gehen. Oder täuschte ich mich? Denn er sagte nichts. Wäre ja typisch Asien: Wenn's kritisch wird, gibt's keine direkte Kommunikation. Stattdessen Konfliktvermeidung, Gesichtswahrung, Harmoniestreben! Friede, Freude, Eierkuchen. Das alte Problem mit "No problem, Sir!"
Von meiner Zeit in Thailand – „Land des Lächelns“ - kannte ich das schon: keine direkte Konfrontation! Also fragte ich nicht: „Haben wir ein Problem?“ Oder noch schlimmer: „Haben Sie ein Problem mit mir?“ Das hätte er vehement abgestritten, und die Zusammenarbeit hätte zusätzlich gelitten unter solcher Direkteit. Stattdessen fragte ich eher unverfänglich am Ende eines Gesprächs: „Gibt es noch was, das wir besprechen sollten?“ Aber nichts lockerte seine Zunge. Auch nicht „asiatische Beziehungsarbeit“: Einladung nach Hause, zusammen Arrak- und Toddy-Trinken (Palmwein), Picknick am See mit unseren Familien und Kindern. - War's vielleicht doch nichts Ernstes?
(3) Plötzlich ein Warnschuss aus der Zentrale: „Dein Counterpart hat sich über Dich beklagt. Du führst zu wenig.“ Schock! Das also war der Konflikt: unterschiedliche Führungsstile! Ich fragte zu oft: „Was meinen Sie denn?“ Für mich "Kollegen", für ihn "Untergebene". Bezog sie ein in Diskussionen und Entscheidungen. Ordnete nicht einfach an. Also ein Wertekonflikt! Die machen eine Zusammenarbeit besonders schwer. Was tun?
Mein Lösungsprozess:
Rückblickend kann ich sagen: Genau hieraus erwuchs meine internationale Synergie-Strategie:
Ich nahm ein Blatt Papier, schrieb erstmal meine guten Argumente auf: „Stärken meines Führungsstils“. Denn davon war ich ja überzeugt! Hatte doch bisher gut funktioniert! War mein Führungsstil nicht besser als sein autoritärer Stil? Erst recht für die Personalentwicklung lokaler Mitarbeiter? Mein Verhalten war also zunächst klassisch für viele Auseinandersetzungen: Erstmal die eigene Position begründen und verteidigen! - Doch je mehr ich nachdachte, umso mehr erweiterte sich mein Blick auf meinen und auf seinen Führungsstil. Schritt für Schritt (unten durchnummeriert) erarbeitete ich dieses Tableau (hier vereinfacht):
Mehr Mitdenken was zu tun ist
mehr neue Ideen (2)
intrinsische Motivation
weniger Kontrollbedarf und Druck
Klare Anordnungen von oben
kurze Meetings (6)
Aufsicht, extrinsische Motivation
mehr Sicherheit was zu tun ist
(1) »Partizipativer Führungsstil«
(3) »Autoritärer / (7) Direktiver Führungsstil«
Hin und her in Diskussionen
lange Meetings (5)
unklar was nun beschlossen wurde
Keine Diskussion und Mitsprache
wenig Ideen lokaler Mitarbeiter (4)
Mitarbeiter ratlos in neuen Situationen
Ich schaute mir das Tableau an, das ich entwickelt hatte - zunächst noch zögerlich. Denn manches ging ja gegen meine alten "Wahrheiten". Wahrhaftig! Konnte das sein? Nachteile auch bei mir, Vorteile bei ihm? - Im (inneren) Dialog entdeckte und akzeptierte ich Wahrheiten auf beiden Seiten. Mein Gesamtbild wurde vollständiger. Und fairer! Schließlich strich ich sogar mein vorher abwertendes Etikett „autoritär“ (obige 3). Ich ersetzte es durch das neutrale „direktiv“. (obige 7)
Mit solch neuen Erkenntnissen fragte ich mich nun: Wie kann ich die Vorteile beider Führungsstile – die ich ja nun erst richtig sah – besser nutzen? Ohne Abstriche und faule Kompromisse? Wie kann ich bei meinen Werten und Vorstellungen von guter Führung bleiben statt einfach auf seinen Stil einzuschwenken? Mit der Gefahr der Enttäuschung und De-Aktivierung der lokalen Kollegen. Und wie kann ich auch seinen Erwartungen an gute Führung Rechnung tragen und deren Vorteile ausschöpfen? Denn sicher wollte auch er bei seinem Stil bleiben. Er hatte ja nicht mal darüber sprechen wollen. Schließlich: Wie kann ich Synergien schaffen zwischen meinem deutschen und seinem asiatischen Führungsstil? Uns beide als Führungs-Team wieder zusammenbringen?
Im Kern entwickelte ich diese, noch einfache, Strategie:
(1) Absprache der Agenda unserer montäglichen Team-Meetings mit meinem Counterpart jeweils am Donnerstag zuvor.
(2) Danach Verteilung der Agenda ans Team mit der Aufforderung, sich Gedanken zu machen zu den einzelnen Punkten.
(3) Am Freitag dann Treffen im kleinen Kreis mit den lokalen Führungskräften der zweiten Ebene, um ihre Vorstellungen - und die ihrer Untergebenen - zu hören und zu besprechen. Sie hatten längst gemerkt und schnell verstanden, dass eine Anpassung fällig war.
(4) Montags jetzt abgekürzte Meetings. Weniger Diskussion und kein langes Hin-und-Her. Nun sprachen vor allem mein Counterpart und ich. Er war zufrieden: Die Chefs hatten das Sagen. Die Vorstellungen aber der lokalen Führungskräfte und Mitarbeiter brachte jetzt ich ein. Die hörten sich quasi aus meinem Mund, zum Teil wörtlich so wie sie es am Freitag vorgetragen und wir (vor)besprochen hatten! Auch sie waren zufrieden. Genau das hielt auch ihre Motivation und Mitarbeit auf dem erreichten hohen Niveau.
Ergebnis:
Die Kombination zweier, polarer Führungsstile und das Ausschöpfen ihrer jeweiligen Vorteile aktivierten einerseits die Erfahrungen, Ideen und Motivation im internationalen Team UND erfüllten andererseits die Führungserwartungen beider Seiten.
Erwartungen übertroffen: Das Büro des Präsidenten evaluierte später unser Projekt-Team als das landesweit erfolgreichste.
Dieser Fall wurde somit der „Urknall“ meiner Synergie-Strategie für internationale Teams.
Jahre später, bei einem Vortrag in Mexiko, lernte ich Barry Johnson aus den USA kennen und sein Polarity Management. Wir entdeckten das gleiche, verbindende Denken und Management-Instrument: Die Polarity Map bei ihm, die Synergie-Matrix bei mir. Durch Barry kamen noch zwei sehr hilfeiche Elemente hinzu:
(1) Die 4-Felder-Matrix wird durch je 2 weitere Felder rechts und links noch konkreter: Oben tragen wir die Maßnahmen ein zur Aktivierung der Stärken beiderseits, unten Frühwarnsignale gegen Übersteuern und Abrutschen in ihre Schwächen; siehe die Graphik "Synergie-Matrix (Polarity Map)".
(2) Ein Assessment-Instrument, jederzeit und variabel anwendbar, zeigt dem Teamleiter und Team zu jedem Eintrag der Synergie-Matrix Ist-Zustand und Handlungsbedarf sowie Maßnahmen-Vorschläge.
Das Führungs-Instrument zur Steuerung internationaler Teams ist somit perfekt, inklusive eigenem Regelkreis. "E pluribus unum", aus vielen Richtungen zu EINEM Erfolgs-Team!
Dr. Michael Buchmann
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